Wenn der Titel der Veranstaltung „Macht der Karten oder was man mit Karten machen kann“ uneingeschränkt stimmte, wäre die Kartenabteilung sehr mächtig: Mit über 1 Million Kartenblättern, über 155.000 Ansichten, 31.000 Atlanten, fast 500 Globen und 35.000 Bänden Fachliteratur gehört sie zu den größten wissenschaftlichen Kartensammlungen weltweit. Diese Größe kommt nicht von ungefähr, sondern ist das Ergebnis zunächst eher zufälliger Bestandsergänzungen und schließlich gezielten Bestandsaufbaus mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Selbstverständlich sind besondere Aufgaben und Funktionen mit dieser Größe gekoppelt, die die tägliche Arbeit zum Teil wesentlich beeinflussen und deren Ergebnisse international ausstrahlen. Dabei wird die gesamte Spannbreite des Kartenbibliothekswesens abgedeckt, die Mitwirkung bei Fachverbänden im bibliothekarischen wie kartographischen Bereich ist Pflicht. Nicht zuletzt werden Impulse für die Weiterentwicklung der Arbeit der Kartenkuratoren ebenso erwartet, wie die Durchführung von Schulungen, Führungen oder Veranstaltungen, auch in Kooperation. Die vielfältige, enge Zusammenarbeit mit vielen kartographischen und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen belegen schließlich den weitreichenden Einfluss von Karten als Quellenmaterial. Vor diesem Hintergrund ist das Aufgabenprofil der Kartenabteilung sehr umfangreich und vielschichtig. Sie betreut zwei Sondersammelgebiete (Kartographisches Schrifttum und Topographische Karten), pflegt das Zeitsegment 1801 bis 1912 im Rahmen der Sammlung Deutscher Drucke (SDD), koordiniert die IKAR-Altkartendatenbank oder erstellt die Bibliographia Cartographica (BC). Darüber hinaus ist sie Depot-Bibliothek der Deutschen Gesellschaft für Kartographie (DGfK) und verwaltet die Kartensammlung und Bibliothek (Bestand bis 1940) der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin (GfE). Mit ihrem enormen Bestand und diesem Profil beweist sich die Kartenabteilung als durchaus mächtig und diese Macht kommt letztlich den Benutzern zugute.
Geschichtlicher Abriss
Die frühe Geschichte der Kartenabteilung ist vor allem durch die Erwerbung besonderer Objekte oder die Übernahme ganzer Sammlungen geprägt, so dass die besonderen Daten mit exemplarisch herausgehobenen Werken dargestellt sind.
Bereits zur Zeit der Gründung der Churfürstlichen Bibliothek zu Cölln an der Spree im Jahre 1661 wurden Karten und Atlanten und wohl auch Globen in den Bestand aufgenommen, wenn auch der Zuwachs eher schleppend und nicht systematisch verlief. Doch der Auftakt war spektakulär: Im zeitlichen Zusammenhang mit der Bibliotheksgründung kam bereits 1664 ein besonderes Stück in den Bestand, das unter den Namen Kurfürstenatlas oder Mauritius-Atlas bekannt ist. Es handelt sich um einen Atlas von gigantischen Ausmaßen, der Wandkarten des 17. Jahrhunderts enthält. Mit aufgeschlagen 170 x 220 cm ist er ein beeindruckendes Produkt aus dem goldenen Zeitalter der niederländischen Kartographie. Sowohl der Schenker, Johann Moritz von Nassau-Siegen, als auch der Beschenkte, Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der Große Kurfürst, sind im Atlas abgebildet. Während Johann Moritz in der Ausschmückung der enthaltenen planigloben Weltkarte abkonterfeit ist, findet sich Friedrich Wilhelm in der Ausschmückung der Karte des Heiligen Römischen Reiches zusammen mit den anderen sechs Kurfürsten und dem Kaiser. Zwischen beiden Personen bestand eine enge freundschaftliche Beziehung, die sich in vielen noch heute sichtbaren Zeugnissen widerspiegelt, sei es die Allee Unter den Linden, oder sei es die inzwischen zum UNESCO Weltkulturerbe erhobene Landschaftsgestaltung in und um Potsdam. Der Atlas selbst enthält das typische Szenario eines Atlas seiner Zeit mit Welt-, Erdteil- oder Deutschlandkarten, mit den Ländern des Beschenkten – hier zwei Handzeichnungen – einer Vielzahl von Karten niederländischer Provinzen, einer Karte des Heiligen Landes oder des antiken Griechenland und einer Karte von Pernambuco, wo Johann Moritz in früheren Jahren im Auftrag der Niederlande als Statthalter der West-Indischen Compagnie segensreich tätig war. Der Atlas ist aufgrund seiner Dimensionen jedoch sehr anfällig. Die auf den Buchrücken wirkenden Kräfte seines Gewichts von 125 kg führen schnell zur Zerstörung der Bindung und des Materials, weshalb er nur unter Aufsicht der Restauratoren geöffnet werden darf. Dennoch entstehen natürlich Begehrlichkeiten und so wurde der Atlas 2007/08 bei zwei internationalen Ausstellungen in den Vereinigten Staaten gezeigt, doch das ist eine seltene Ausnahme. Stattdessen steht der an sich schon beachtliche, aber verkleinerte Nachdruck zur Einsichtnahme im Kartenlesesaal. Die mit dem Atlas verbundene Begeisterung für kartographische Erzeugnisse hatte jedoch keinen Einfluss auf die weitere Entwicklung des Kartenbestands. Karten wurden im inzwischen zum Königreich Preußen avancierten Staat geschätzt und auch in großer Zahl hergestellt, doch wurden diese Karten nicht zum Druck freigegeben, vervielfältigt und vertrieben und somit auch nicht systematisch gesammelt. Die Herstellung beschränkte sich in erster Linie auf Landesaufnahmen unter militärischer Aufsicht. Selbst der Druck kleinmaßstäbiger Karten bedurfte einer königlichen Genehmigung, da ihm die Bedeutung guten Kartenmaterials für militärische wie wirtschaftliche Zwecke bewusst war. Friedrich II. hielt Karten unter Verschluss und auch seine Sammlung war nur über sein Schlafzimmer im Potsdamer Stadtschloss erreichbar.

Abbildung 2: Administrativ-statistischer Atlas vom Preussischen Staate. Berlin: Schropp, 1827 (Ausschnitt aus dem Blatt der Justizverwaltung).
Dennoch oder gerade wegen der zunehmenden Bedeutung in militärischer wie administrativer Sicht entwickelte sich die Kartographie, was sowohl die Methoden der Landesaufnahmen in Vermessung und Darstellung betraf, als auch die Umsetzung bestimmter Inhalte und Fragestellungen in thematischen Karten. Sowohl Angehörige der militärischen Schicht wie Gelehrte bauten ihre eigenen Kartensammlungen auf, die zum Teil auch in die Kartenabteilung aufgegangen sind. Der behördliche wie zivile Nutzen insbesondere thematischer Karten leitete sich auf dem wissenschaftlichen Anspruch ab, den Carl Ritter als führender Geograph seiner Zeit formulierte. Mit der Etablierung der Geographie als Wissenschaft an der Berliner Universität und der gleichzeitigen und in Personalunion ausgeführten Unterrichtung an der Kriegsakademie durch Carl Ritter bekam die Karte neue Werte, nicht zuletzt auch als didaktisches Instrument: Kartenlesen und Karteninterpretation wurden gefordert und gefördert. Die kartographische Umsetzung vieler Detailinformationen in eine thematische Karte verhalf zum schnellen Überblick komplexer räumlicher Strukturen. In dieser Phase ist ein Werk entstanden, das als Vorläufer der Nationalatlanten angesehen werden muss. Dem Atlas ist ein klares Konzept zu entnehmen, das in der Verwendung einer einheitlichen Basiskarte und in der Anlage der Kartenthemen zu sehen ist. Hintergrund für sein Entstehen mag die politische Neuordnung nach dem Wiener Kongress gewesen sein, der eine administrative Neuordnung folgen musste. Die Territorien hatten sich räumlich verschoben, es mussten brauchbare Übersichten über die neue Situation geschaffen werden, die als Planungsgrundlage dienen konnten, um die vielfach gewachsenen und verfestigten Verwaltungsstrukturen zu reformieren. Doch zeigt der Atlas keinen streng wissenschaftlichen Aufbau im Sinne der damaligen Geographie, die sich bei Themenkarten selten an politische Landesgrenzen orientierte. Vielmehr sind die Urheber der Karten im Verwaltungsbereich zu suchen, denn die konsequent durchgeführte Verwendung einer einheitlichen Kartengrundlage, die somit auch einen Vergleich der unterschiedlichen Themen erlaubte, deutet in diese Richtung. Da die amtliche Statistik Preußens zum Zeitpunkt der Atlasentstehung noch nicht die notwendige Datenfülle liefern konnte, mussten weitere Quellen herangezogen worden sein. Erst im Zusammenhang mit dem 1990 erfolgten Nachdruck des Atlas konnte nach mühsamem Aktenstudium im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz die Frage der Datengrundlage und zugleich das Rätsel der Urheberschaft gelöst werden. Dort erhaltene Korrespondenzen beziehen sich auf einen Briefwechsel zwischen dem Oberpräsidium der Provinz Preußen und dem Major und Adjutanten Karl Ferdinand Heinrich von Roeder mit der Bitte um Übermittlung notwendiger Angaben für den Atlas. Dabei wird der Auftraggeber selbst genannt, der kein geringerer als Kronprinz Friedrich Wilhelm, der spätere König Friedrich Wilhelm IV., war. Mit dem Atlas hatte der Kronprinz seine weitsichtige und zu diesem Zeitpunkt bereits ausgeübte politische Einflussnahme unter Beweis gestellt. Für die Ausfertigung hatte er sich seiner Adjutanten bedient, zu deren Umfeld auch F. v. Döring gehörte und der schließlich Namen gebend positioniert wurde. Die Verschleierung der eigentlichen Urheberschaft mag darin begründet liegen, dass die ranghohen Offiziere und der Kronprinz nicht im Zusammenhang mit einer amtlichen Publikation in Verbindung gebracht werden wollten. Die ersten Exemplare des Atlas sind noch 1827 fertig gestellt worden, eines davon für den König Friedrich Wilhelm III. im schmucken Ledereinband, weitere dann erst im folgenden Jahr 1828, schließlich musste die Kolorierung und die Eintragung der Symbole per Hand vorgenommen werden.
Etwa Zeitgleich mit dem Atlasprojekt wurde in Preußen die erste flächendeckende Landesaufnahme vorbereitet, die Preußische Uraufnahme. In der Zeit von 1822 bis 1876 wurde das gesamte Territorium vermessen und einheitlich im Maßstab 1:25.000 kartiert. Das dabei zum Einsatz gebrachte Verfahren der Arbeit im Gelände an einem Messtisch gab den Karten den Namen „Messtischblätter“, der für die topographische Karte dieses Maßstabs bis heute gültig ist. Die Herstellung eines Kartenblattes war Bestandteil der Offiziersausbildung, in einer späteren Phase waren auch Ingenieur-Geographen an der Fertigung beteiligt. Die Bearbeiter wurden namentlich am unteren rechten Rand der Kartenblätter genannt, so dass 655 Offiziere bekannt sind, die nahezu 2.900 Karten schufen. Der militärische Ursprung war die Basis für die spätere behördliche Organisation der preußischen Landesaufnahme, da etliche Offiziere in ein ziviles Beamtenverhältnis übernommen wurden. Das zuvor unter Leitung des Majors Carl von Decker fertig gestellte und nach ihm benannte Kartenwerk im Maßstab 1:25.000, das große Bereiche der Provinzen Brandenburg, Sachsen und Anhalt umfasst und die im Jahre 1821 vom Freiherrn Friedrich Karl Ferdinand von Müffling erlassene „Instruction für die topographischen Arbeiten des Königlich Preußischen Generalstabs“ bildeten die wegweisenden Grundlagen für diese auch heute bedeutsame topographische Landesaufnahme.
Ein besonderes Kleinod in der auch ansonsten reichhaltigen Atlassammlung der Kartenabteilung stellt der Neuzeller Atlas dar, ein sorgfältig handgezeichneter, wunderschön kolorierter Territorialatlas des Zisterzienserstifts Neuzelle. Der in rotes Maroquinleder eingebundene und mit Goldprägung verzierte querformatige Kartenband von C. L. Grund und C. A. Bohrdt enthält neben einer Übersichtskarte von Böhmen, Mähren und der Lausitz auch Wappentafeln, Klosteransichten, einen Generalplan des Stifts sowie Flurkarten aller Stiftsdörfer. Er entstand in der Zeit zwischen 1758 und 1763 nach Vermessungen des Stifts unter den Äbten Martin und Gabriel. Ziel dieser Maßnahme war die Sicherung der feudalklerikalen Herrschaft, nachdem es wegen vermehrter Abgaben in den 30er Jahren des 18. Jahrhunderts zu Unruhen unter den Klosterbauern gekommen war. Der Atlasband wird ergänzt durch die „Beschreibung des Neu-Zellischen Stifts-Territorii 1760“ in einem zweiten, annähernd gleichgroßen Band, der u. a. Auszüge aus Vermessungsregistern enthält und die unterschiedlichen Besitztümer des Klosters detailliert beschreibt. Der Atlas nebst Beschreibung ist für landeskundliche Forschungen unverzichtbar und kartographisch meisterhaft ausgeführt.
Der wahrscheinlich vom italienischen porto= Hafen abgeleitete Begriff gab dem speziellen Kartentyp der Portolankarten, die ihren Ursprung im Mittelmeergebiet haben, ihren Namen. Tatsächlich zeichnen diese Karten ein detailliertes Abbild des Küstenverlaufs, während sie das Innere des Festlandes weitestgehend frei lassen. Die abgebildete Portolankarte des Vesconte de Maggiolo erschien im Jahre 1541 in Genua und wurde, wie bei diesem Kartentyp vielfach üblich, auf einem gegerbten Ziegenfell gezeichnet. Die typische Form dieser und auch des Großteils anderer Portolankarten lässt die Herkunft des Beschreibmaterials deutlich erkennen. Abgebildet wurde im Wesentlichen das Gebiet um das Mittelmeer mit weiteren europäischen Territorien im Norden und Nordafrika im Süden. Im Nord- und Ostseeraum ist die Karte jedoch in der Bearbeitung nicht fertig gestellt worden. Typisch sind die Einträge mit den für die Seefahrt relevanten Informationen wie Häfen, Ankerplätze oder Untiefen, die Beschriftung der Orte verläuft im rechten Winkel zum Küstenverlauf. Sie ist zusätzlich mit farbigen und teils goldgehöhten allegorischen Abbildungen prunkvoll verziert.
Ein besonderes Kleinod in der auch ansonsten reichhaltigen Atlassammlung der Kartenabteilung stellt der Neuzeller Atlas dar, ein sorgfältig handgezeichneter, wunderschön kolorierter Territorialatlas des Zisterzienserstifts Neuzelle. Der in rotes Maroquinleder eingebundene und mit Goldprägung verzierte querformatige Kartenband von C. L. Grund und C. A. Bohrdt enthält neben einer Übersichtskarte von Böhmen, Mähren und der Lausitz auch Wappentafeln, Klosteransichten, einen Generalplan des Stifts sowie Flurkarten aller Stiftsdörfer. Er entstand in der Zeit zwischen 1758 und 1763 nach Vermessungen des Stifts unter den Äbten Martin und Gabriel. Ziel dieser Maßnahme war die Sicherung der feudalklerikalen Herrschaft, nachdem es wegen vermehrter Abgaben in den 30er Jahren des 18. Jahrhunderts zu Unruhen unter den Klosterbauern gekommen war. Der Atlasband wird ergänzt durch die „Beschreibung des Neu-Zellischen Stifts-Territorii 1760“ in einem zweiten, annähernd gleichgroßen Band, der u. a. Auszüge aus Vermessungsregistern enthält und die unterschiedlichen Besitztümer des Klosters detailliert beschreibt. Der Atlas nebst Beschreibung ist für landeskundliche Forschungen unverzichtbar und kartographisch meisterhaft ausgeführt.

Abbildung 6: Residentia Electoralis Brandenburgica … Plan der Residenzstadt Berlin von Johann Bernhard Schultz aus dem Jahr 1688
Residentia Electoralis Brandenburgica – dieser großformatige Plan der Residenzstadt aus der Regierungszeit Friedrich Wilhelms von Brandenburg ist sicher zu Recht als einer der schönsten druckgraphischen Berlinpläne anzusprechen. Johann Bernhard Schultz hatte damit im Jahre 1688 ein eindrucksvolles Abbild der nach niederländischem Vorbild befestigten Stadt geschaffen, die auch die Spuren der Tätigkeit des Großen Kurfürsten selbst aufweist. Die Planung der Fortifikation und die Leitung des Festungsbaus lag in den Händen des preußischen Baumeisters Johann Gregor Memhardt, der als junger Mann in Holland im Festungsbau ausgebildet worden war. Die detaillierte Vogelschau zeigt deutlich sowohl die Struktur als auch die Gliederung der aus der mittelalterlichen Ummauerung herauswachsenden Stadt. Selbst die Architektur ist auf Grund der gewählten Darstellungsweise gut wahrnehmbar. Die Tatsache, dass die Befestigungsanlagen größer dimensioniert dargestellt sind, als sie es jemals eigentlich waren, ist in diesem Zusammenhang lediglich eine Fußnote.
Die Entstehung der Kartenabteilung
Zwei Jahresangaben sind für die Entwicklung der Kartenabteilung von historischer Tragweite: 1859 und 1919, beides mal handelte es sich um eine Übernahme bedeutender Sammlungen mit weit reichenden Folgen, die bis heute den Ruf der Abteilung begründen und seitdem zu den wichtigsten Säulen des Kartenbestandes gehören.
1859
Zu den bereits angesprochenen privaten Kartensammlungen zählte auch die der Familie Scharnhorst, die von dem General Gerhard von Scharnhorst begründet und von seinem Sohn Wilhelm von Scharnhorst weitergeführt worden war. Nach dessen Tod wurde sie 1856 vom Preußischen König Friedrich Wilhelm IV. angekauft und als Grundstock für das neu gegründete Königlich Kartographische Institut verwendet. Damit folgte der König dem Anliegen von Carl Ritter zur Einrichtung einer zentralen und allen zugänglichen Kartensammlung. Mit ca. 35.000 Karten war sie eine der umfangreichsten Sammlungen überhaupt, für deren Verwaltung und Pflege Georg Friedrich Hermann Müller als Kustos bestellt wurde, während Carl Ritter die Oberaufsicht übertragen bekam. Doch die Schwierigkeiten beim Übergang in die Routine und dem Anspruch des Hofmarschallamtes auf die Räumlichkeiten ihrer Unterbringung bewirkten bereits 1859 die Auflösung des Instituts und die Übergabe der Karten an die Königliche Bibliothek. Organisatorisch erhielt die Sammlung den Status einer eigenständigen Abteilung, sodass dieses Datum als Geburtsjahr der Kartenabteilung gilt. Damit war der Grundstock gelegt, der kontinuierlich und systematisch, aber auch durch die Übernahme weiterer privater wie öffentlicher Sammlungen ausgebaut werden konnte. In diese Periode fällt auch die Etablierung der Geographie als universitäres Wissenschaftsfach mit dem Ausbau der Lehrstühle, die Entdeckungen neuer, insbesondere der innerkontinentalen Gebiete und die Phase des Kolonialismus. Die in dieser Zeit in die Kartenabteilung integrierten Karten, Ansichten und Atlanten bilden heute das Rückgrat für das zu bearbeitende Zeitsegment der Sammlung Deutscher Drucke.
1919
Ein weiteres Rückgrat für das heutige Sondersammelgebiet 28.1 „Topographische Karten“ wurde durch die Übernahme des Kartenarchivs des Großen Preußischen Generalstabs gebildet. Durch den Versailler Vertrag wurde diese militärische Einrichtung zur Auflösung gezwungen, wobei die mit über 200.000 Blatt gigantisch zu nennende Kartensammlung an die Preußische Staatsbibliothek übergeben wurde. Dieser Zuwachs brachte mit seinen vielen einzigartigen, handgezeichneten Landesaufnahmen einen unschätzbaren Wert und verschaffte der Abteilung damit den Aufstieg an die Spitze der weltweit größten und bedeutendsten Kartensammlungen. Das Kartenarchiv des Generalstabs war die Fortführung der Königlichen Plankammer, die von König Friedrich Wilhelm I. bereits angelegt und von seinem Sohn König Friedrich II. erheblich erweitert wurde, in dem er private Sammlungen ankaufte oder Landesaufnahmen anordnete bzw. unterstützte. Zu den besonderen Schätzen aus dem Generalstabsarchiv zählen zahlreiche weitere Landesaufnahmen, die durch Ingenieurcorps vermessen wurden. Beispiele sind die Kartierung der Rheinlande durch Tranchot und von Müffling oder die, wie oben bereits beschrieben, erste flächendeckende Landaufnahme Preußens, die Preußische Uraufnahme. Letztgenanntes Kartenwerk ist trotz hochwertiger Reproduktionen, die von den Vermessungsbehörden zum Selbstkostenpreis vertreiben werden, bis heute unangefochtener Spitzenreiter der Benutzeranfragen.
Heutige Sammlungsschwerpunkte
Auf diesem wertvollen Bestand basieren die heutigen Aufgaben und Funktionen bei der Betreuung der Sammlung Deutscher Drucke und den Sondersammelgebieten 14.1 Schriften zur Kartographie und 28.1 Topographische Karten. Beide Aufgaben entsprechen in etwa der noch bis zum Abschluss der Bauarbeiten geltenden Bestandsaufteilung der Kartenabteilung auf beide Häuser. Kurz gesagt sind im Haus Unter den Linden die Karten mit Erscheinungsjahr bis 1939 zu finden, während die modernen Karten ab 1940 im Haus Potsdamer Straße aufbewahrt werden. Die Fusion des Gesamtbestandes ist für 2013 prognostiziert.
Sammlung Deutscher Drucke
Die Kartenabteilung betreut im Bereich der SDD den Zeitraum von 1801 bis 1912. Der Grund für die Vorverlegung der Zuständigkeit auf die Zeit vor 1871, wie es für den Allgemeinen Druckschriftenbestand festgelegt wurde, ist darauf zurückzuführen, dass in der Staatsbibliothek ein besonders umfangreicher Kartenbestand gerade auch für diesen Zeitraum existiert. Die Sammlungstätigkeit auf diesem Gebiet ist wesentlich geprägt durch die Profilierung der Kartographiegeschichte, sowie durch die quantitative Entwicklung der kartographischen Produktion und verwandter Bereiche, z.B. der Herstellung von Veduten im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert.
In der Thematischen Kartographie ist die Zeit bis in die 50er Jahre des 19. Jahrhunderts eine wichtige Periode für die Publikation von Postrouten-, Forstwirtschafts-, Industrie- und Landwirtschaftskarten, Bergbauplänen und geologischen Karten. Der anschließende Zeitabschnitt bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts brachte vermehrt Verwaltungs-, Gewerbe-, Sprach- und Nationalitätenkarten, Verkehrs- und Eisenbahnkarten, sowie Wirtschaftsatlanten hervor. Ein Teil dieser kartographischen Produkte erschien unselbständig in Zeitschriften und Monographien und ist heute nur mit vergleichsweise hohem Aufwand zu ermitteln, seine Erwerbung bleibt problembehaftet, da es zu Überschneidungen mit den angesprochenen Bereichen kommen kann. Der selbständig erschienene Teil dieser Produktion war größtenteils in starkem Gebrauch und ist daher heute selten geworden. Einzelne Erwerbungen konnten in den letzten Jahren jedoch getätigt werden.
Im Bereich der Topographischen Karten ist der betreute Zeitabschnitt die Phase der planvollen, modernen Landesaufnahmen, die umfangreiche, gedruckte Kartenwerke hervorbrachte und in der Sammlung überwiegend vollständig vertreten ist. Vereinzelt gelingt im Rahmen der SDD hier der Erwerb von fehlenden Einzelblättern.
Für die Sammlung der Stadtpläne und Veduten ist der Zeitraum von 1801 bis 1912 durch die zunehmende Industrialisierung und die damit verbundenen gravierenden Veränderungen in den Stadtgrundrissen und in der Architektur geprägt. Der Ankauf zielt in diesem Bereich auf die Dokumentation der eingetretenen Veränderungen.
Insgesamt geht es für die Kartenabteilung bei antiquarischen Erwerbungen um die Schließung von Lücken im Bestand beziehungsweise aus methodischen Gründen auch um die exemplarische Erwerbung „trivialer Materialien“, oder Materialien aus Randgebieten, die zu ihrer Zeit keinen systematischen Eingang in die Bibliothek gefunden haben.
Sondersammelgebiete
Die Sondersammelgebiete werden im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft betreut. Sie sind Bestandteil des Systems der überregionalen Literaturversorgung, eines Netzwerkes deutscher Bibliotheken, die die Bereitstellung aller wissenschaftlich relevanten Werke aus aller Welt organisiert. Kartographische Fachliteratur wird aus allen Ländern in allen Sprachen erworben, es sind allein über 80 Fachzeitschriften rein kartographischen Inhalts – ein Teil davon wird im Tausch durch die Mitgliederzeitschrift „Kartographischen Nachrichten“ der Deutschen Gesellschaft für Kartographie bezogen. Hinzu kommen Nachschlagewerke, Lehrbücher, Ausstellungskataloge, Sammelwerke, Schriftenreihen oder Kongressschriften, die alle Facetten der Kartographie von der Geschichte bis zu Geoinformationssystemen abdecken. Alle diese Bücher und Aufsätze werden in der Bibliographia Cartographica ausgewertet, d. h. erfasst und angezeigt. Diese Bibliographie wird auch im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Kartographie erarbeitet. Jährlich erfolgen ca. 3 bis 4.000 Einträge in diese Fachdatenbank, die über das Internet frei verfügbar ist.
Topographisches Kartenmaterial wird ebenfalls aus allen Ländern über alle Länder in verschiedenen Maßstäben in allen Sprachen und verschiedenen Ausgabeformen (analog, elektronisch) erworben und gesammelt. Das amtliche Kartenmaterial aus Deutschland wird im gesetzlichen Auftrag archiviert (Pflichtablieferung amtlicher Veröffentlichungen deutscher Behörden), während Verlagsprodukte und ausländische Karten im Handel eingekauft werden müssen. Somit ist der Kontakt zu Händlern ebenso wichtig wie die regelmäßige und mühsame Durchsicht von Produktverzeichnissen oder Nationalbibliographien – und gegebenenfalls die Einwerbung von Drittmitteln. Topographische Karten sind oftmals nur über einschlägige Händlerkontakte zu erhalten, ihre Erwerbung ist mitunter spannend und erfordert manchmal eine hohe Flexibilität, um auf die Angebote des Markts schnell reagieren zu können.
Kataloge
Die modernen topographischen Kartenwerke sind in einer eigenen kleinen Datenbank erschlossen. In ihr sind über 1.150 Kartenserien in einem Länderalphabet und dort nach Maßstab übersichtlich sortiert. Neben dem Erscheinungsvermerk wird angegeben, ob das Werk vollständig und bereits abgeschlossen ist, in welcher Sprache die Karten beschriftet sind oder in welche Ausgabeform es vorliegt. Der Vorteil dieser Datenbank liegt darin, dass nicht wie im Katalog nach dem originalsprachigen Titel des Kartenwerkes gesucht werden muss. Eine Verbindung zur Titelbeschreibung im Katalog ist jedoch über die Signatur per Mausklick herzustellen. In manchen Fällen ist auch per Mausklick das zugehörige Indexblatt verfügbar, über das der vorhandene Bestand graphisch angezeigt wird.
Neben dem Angebot dieser Spezialkataloge arbeitet die Kartenabteilung an der Konversion der bestehenden alten Zettelkataloge. Bislang sind alle Titel mit Erscheinungsjahr ab 1940 elektronisch erfasst und im allgemeinen Katalog der Staatsbibliothek StaBiKat recherchierbar. Dennoch spielen die sachlichen und regionalen Zettelkataloge eine bedeutende Rolle, denn die Suche nach Karten wird in erster Linie über den dargestellten Raum oder das bearbeitete Thema angegangen und nicht nach Verfassern oder Titeln. So ist im Haus Unter den Linden noch der alte Realkatalog in Funktion (Abb.), ein handgeschriebener, regional aufgebauter Bandkatalog mit thematischen Ergänzungen. Seine Handhabung ist aufgrund seiner regionalen Gliederung aus der Zeit um 1900 gewöhnungsbedürftig, doch ist sein innerer Aufbau stringent, so dass man sehr schnell zu entsprechenden Rechercheergebnissen kommt. Dennoch wird auch für diesen bewährten Katalog derzeit an einem Konzept zur Umsetzung seiner Struktur in elektronische Form gearbeitet. Eine Übersicht über die verschiedenen Kataloge und ihre Handhabung verhilft zu ihrer schnellen und gezielten Anwendung.
Hervorhebend zu erwähnen ist die IKAR-Altkartendatenbank, ein Gemeinschaftsprojekt, das von den drei größten Kartensammlungen Deutschlands (München, Göttingen und Berlin) gestartet wurde und inzwischen weitere Teilnehmer gewinnen konnte. Die Datenbank enthält etwa 257.000 Titel alter gedruckter Karten mit Erscheinungsjahr vor 1850, was etwa 315.000 Bestandsnachweisen entspricht. Die Datenbank enthält Einzelkarten von der Weltkarte bis zum Stadtplan, Panoramen, Vogelschaukarten, Profile, Originale oder deren Faksimiles – auch in elektronischer Form und Atlanten. Eine große Besonderheit dieses Katalogs ist die Verzeichnung aller in den Atlanten enthaltenen Karten. Eine wesentliche Verbesserung der international bedeutenden Datenbank wäre die Anreicherung der Titelbeschreibungen mit einem Vorschaubild.
Weitere Aufgaben
Neben dem Sammeln, Erschließen, Bewahren und Vermitteln von Karten und Atlanten sind auch weitere Aufgaben an der Kartenabteilung angesiedelt. Zum einen werden diese Aufgaben durch neue Medien- und Erscheinungsformen hervorgerufen, die für ihre Bearbeitung neue Methoden und Richtlinien erfordern. So laufen in der Kartenabteilung die Fäden des Arbeitskreises Karten des Bibliotheksverbundes zusammen, der die einheitliche Anwendung der bibliothekarischen Vorgaben koordiniert und damit eine konsistente Datengrundlage des Verbundkatalogs schafft. Auch auf internationaler Ebene ist die Kartenabteilung in den entsprechenden bibliothekarischen Gremien (LIBER; ILFA) tätig, teilweise in führenden Positionen; hinzu kommt ein vielfältiges Engagement in diversen kartographischen und kartenhistorischen Fachgremien. Zum anderen führt der Einsatz neuer Techniken auch zu neuen Verfahren der Aufbereitung alter Karten. So stellt die Kartenabteilung das wertvolle Material ihren Kooperationspartnern aus der Wissenschaft gerne zur Verfügung. Als Beispiele seien hier der Digitale Wenkeratlas des Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas an der Universität Marburg oder die Bearbeitung der Berliner „Sächsischen Meilenblätter“ durch die Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden, die im Sachsenatlas integriert sind, genannt.
Angesiedelt sind bei der Kartenabteilung auch die Depot-Bibliothek der Deutschen Gesellschaft für Kartographie oder die historische Kartensammlung und Bibliothek der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Unterstützt werden die vielfältigen Aufgaben und Arbeiten durch den Freundeskreis für Cartographica e.V., der sich insbesondere bei der Anschaffung historisch wertvoller Materialien und Dokumente oder deren Restaurierung engagiert, der aber auch Wissenschaftler, die der Macht der Karten unterliegen, während ihres Aufenthaltes in der Kartenabteilung mit kleinen Stipendien fördert.
Freundeskreis für Cartographica e.V.: fkc.staatsbibliothek-berlin.de
Literatur
Astengo, Corradino: Der genuesische Kartograph Vesconte Maggiolo und sein Werk. – In: Cartographica Helvetica, Band 13, 1996, S. 9 – 17
Crom, Wolfgang: Die Arbeit der Kartenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin. – In: Vermessung aktuell, Heft 1 / 2009. – S. 62 – 74
Klemp, Egon: Der Neuzeller Stiftsatlas – ein hervorragendes Quellenwerk für die Landeskunde des 18. Jahrhunderts. – In: Studien zur Buch- und Bibliotheksgeschichte. Hans Lülfing zum 70. Geburtstag … [im Auftrag der Deutschen Staatsbibliothek Berlin hrsg. von Ursula Altmann und Hans-Erich Teitge]. – Berlin, Deutsche Staatsbibliothek, 1976. – S. 200 – 203
Klemp, Egon: Kommentar zum Atlas des Großen Kurfürsten = Commentary on the Atlas ort he Great Elector. – Leipzig, Edition 1971, 1971.
Krauss, Georg: 150 Jahre preußische Meßtischblätter. – In: Zeitschrift für Vermessungswesen Bd. 94, 1969, S. 126 – 135
Mittenzwei, Steffi: Die Linden : vom kurfürstlichen Reitweg zur hauptstädtischen Allee ; Ausstellung der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz zum 350jährigen Jubiläum der Straße Unter den Linden. – Wiesbaden : Reichert, 1997 (= Ausstellungskataloge / Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz ; N.F., 25)
Scharfe, Wolfgang und Wolfgang Neugebauer: Administrativ-Statistischer Atlas vom Preussischen Staate. Vorgeschichte, Entstehung und Umfeld des preußischen Nationalatlas von 1827/28. – In: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte N.F. 1. – Berlin, Duncker & Humblod, 1991, S. 241 – 284
Linkliste
Sammlung Deutscher Drucke
ag-sdd.de
Schriften zur Kartographie
webis.sub.uni-hamburg.de/ssg/bib.1a/ssg.14_1
Topographische Karten
webis.sub.uni-hamburg.de/ssg/bib.1a/ssg.28_1
Bestandsaufteilung
karten.staatsbibliothek-berlin.de/de/download/info_bestaende.pdf
Kartenabteilung der Staatsbibliothek Berlin
karten.staatsbibliothek-berlin.de
Deutsche Forschungsgemeinschaft
www.dfg.de
Sondersammelgebiete der Kartenabteilung
staatsbibliothek-berlin.de/deutsch/sondersammelgebiete/kartenabteilung
Sammlung deutscher Drucke
www.ag-sdd.de
IKAR-Altkartendatenbank
bc.staatsbibliothek-berlin.de
Bibliographia Cartographica (BC)
bc.staatsbibliothek-berlin.de
Deutsche Gesellschaft für Kartographie (DGfK)
www.dgfk.net
Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin (GfE)
www.gfe-berlin.de
Topographischen Kartenwerke
karten.staatsbibliothek-berlin.de/de/kataloge/kartenwerke.php
StaBiKat
stabikat.de
Kataloge der Staatsbibliothek Berlin
karten.staatsbibliothek-berlin.de/de/kataloge/index.html
IKAR-Altkartendatenbank
ikar.staatsbibliothek-berlin.de
Arbeitskreis Karten des Bibliotheksverbundes
www.gbv.de/wikis/cls/Arbeitskreis_Karten
Bibliothekarische Gremien LIBER und ILFA
liber-maps.kb.nl/intro.htm / www.ifla.org/VII/s6/index.htm
Digitaler Wenkeratlas
www.diwa.info
Sachsenatlas
www.atlas.sachsen.de
Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin
www.gfe-berlin.de
Autoren
Wolfgang Crom/Steffi Mittenzwei
Staatsbibliothek zu Berlin
Unter den Linden 8
10117 Berlin
wolfgang.crom@sbb.spk-berlin.de
steffi.mittenzwei@sbb.spk-berlin.de
karten.staatsbibliothek-berlin.de