Wissenschaftspreis für Humangeographie, Passau 2013
Wortlaut der Laudatio von Prof. Dr. Sebastian Lentz (IfL Leipzig)
Es ist mir eine besondere Ehre, Ihnen den jungen Kollegen vorstellen zu dürfen, dem die Jury der Voss-Stiftung in diesem Jahr den Preis für Nachwuchswissenschaftler in der Anthropogeographie zuerkannt hat. Martin Müller von der Universität Zürich, hat diesen Preis aus mehreren Gründen verdient. Zunächst: Er betreibt Forschungen zur Stadt- und Regionalforschung sowie zu Gesellschafts-Natur-Verhältnissen mit politisch-geographischen und ökonomischen Ansätzen bzw. Erkenntnisinteressen. Er hat in München und Cambridge studiert, bevor er an der Universität Frankfurt promoviert hat. Von Frankfurt aus ist er als Assistant Professor für Kultur, Institutionen und Märkte an die Universität St. Gallen gegangen –und von dort vor zwei Jahren auf eine befristete Forschungsprofessur, wie schon erwähnt, an die Universität Zürich. Von den beiden letzten Stationen aus war er zudem als Visiting Fellow an der University of North Carolina at Chapel Hill, an der University of Oxford – Christ Church College in Oxford und an der University of British Columbia und dem Green College in Vancouver. Da ist also eine bemerkenswerte Internationalität seines akademischen Wegs festzuhalten.
Martin Müller publiziert seine projektbezogenen Forschungsergebnisse regelmäßig in internationalen begutachteten Zeitschriften, inzwischen eine sehr beachtliche Zahl. Außerdem beteiligt er sich an internationalen konzeptionellen oder methodologischen Diskussionen, wie sein Beitrag zur Actor-Network-Theory in Progress in Human Geography zeigt. Dem Anliegen des Preisstifters Frithjof Voss, Geographie als eine möglichst ganzheitlich denkende und zudem gesellschaftsrelevante Wissenschaft zu verstehen, entspricht Martin Müller darüber hinaus besonders dadurch, dass er nicht nur in „unseren eigenen“, d.h. wissenschaftsinternen Medien publiziert, sondern auch den Transfer in die breitere Öffentlichkeit pflegt, indem er regelmäßig wissenschaftlich fundierte Beiträge für Qualitätspresse, Rundfunk und Fernsehen verfasst.
Verwendung des Preisgeldes
Das Preisgeld möchte ich verwenden, um einen Transfer meiner Forschungsresultate im Themenfeld Planung und Auswirkung von Großveranstaltungen in die Praxis zu ermöglichen. Großveranstaltungen wie die Olympischen Spiele oder die Fußballweltmeisterschaft gehören zu den größten Herausforderungen für die Stadt- und Regionalplanung. Innerhalb weniger Jahre verändern sie manchmal die räumliche Struktur ganzer Städte und führen – durch die Konzentration von Ressourcen – oft zu einer Polarisierung räumlicher Entwicklung. Diese unmittelbare Raumwirksamkeit macht Großveranstaltungen zu einem für die Geographie prädestinierten Forschungsgegenstand. Milliardenbeträge müssen effizient investiert und verbaut werden. Die zuständigen Organisationen wachsen in kurzer Zeit von wenigen Mitarbeitern auf oftmals mehrere zehntausend Beschäftigte an. Die an der Planung und Ausrichtung beteiligten Akteure sind über die ganze Welt verstreut und müssen über weite Distanzen koordiniert werden. Es gilt, die Ansprüche verschiedener Interessensgruppen – von Bürgerinnen und Steuerzahlern bis hin zu Sportlerinnen und Funktionären – zu berücksichtigen. Die globale Medienaufmerksamkeit verzeiht dabei keine Fehltritte.
Zu oft bewerben sich Städte und Länder um Großveranstaltungen, ohne sich der Kosten und Risiken bewusst zu sein. In meiner Forschung habe ich ein „Mega-Event-Syndrom“ herausgearbeitet. Es umfasst sieben Probleme, mit denen sich Interessenten und Ausrichter von Großveranstaltungen regelmäßig konfrontiert sehen – von Gentrifizierung bis hin zur ineffizienten Nutzung innerstädtischer Flächen. Die von mir erarbeiteten Lösungsansätze möchte ich mit dem Preisgeld in die öffentliche Diskussion und in die Praxis einfließen lassen – unter anderem mit Hilfe einer professionellen Visualisierung und der Ausrichtung eines Workshops.
Institut für Geographie und Geologie Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeographie
Friedrich-Ludwig-Jahn-Str. 17a
17487 Greifswald
Tel.: +49 3834 420 4524
Fax: +49 3834 420 4481
Email: daniel.schiller@uni-greifswald.de